Gewalt wird als probates Mittel in unterschiedlichen Kontexten von kriegerischen Auseinandersetzungen bis zur Staatsgewalt akzeptiert. Häufigster Ort für Gewaltanwendung - und damit gefährlichster Ort für viele - ist dabei das eigene Zuhause und die soziale Nahbeziehung. Zumeist betrifft das Frauen in heterogen, normativen Familienformen - aber genauso Menschen, die sich in anderen Kontexten einen Wohnort teilen (Jugendwohngemeinschaft, Hacklerquartier, Haftanstalt etc.).
Blickpunkte aus der Podiumsdiskussion mit Einführungsvortrag im Albert-Schweitzer-Haus am 08. November 2022.
Einführungsvortrag:
Dietrich Schotte, Institut für Philosophie, Universität Regensburg
Das Podium teilten sich:
Birgitt Haller, Juristin und Politikwissenschafterin, Institut für Konfliktforschung
Džemal Šibljaković, Sozialarbeiter und Religionspädagoge, Islam. Gefängnisseelsorge
Nikolaus Tsekas, Leitung Verein Neustart Wien
Moderation: Verena Fabris, Beratungsstelle Extremismus von BOJA
- Interessante These aus dem Einführungsvortrag: Wir reden gerne über Gewalt in Organisationen und Institutionen, weil wir diese als Projektionsfläche verwenden, um bei uns selbst Gewaltaffinitäten besser ausblenden zu können.
- Wenn man als moralische Instanz auftritt (Stichwort Kirche), dann fällt ein gegenteiliges Handeln umso mehr auf und wird überproportional in der Gesellschaft wahrgenommen. V.a. im Vergleich zu Missständen, die zahlenmäßig größer sind. Stichwort Femizide und häusliche Gewalt.
- Femizide sind ein weltweites Problem. Zugrunde liegt ihnen das Patriarchat, in dem Männer mehr wert sind und in allen gesellschaftlichen Gruppen vorgereiht sind. Sichtbarkeit und Wichtigkeit sind ungleich verteilt. Dieses Ungleichgewicht fördert das Gewaltverhalten der Privilegierten.
- Enttabuisierung des Themas „Häusliche Gewalt“ vor allem durch das Gewaltschutzgesetz von 1997. Dieses setzte ein Umdenken in der Gesellschaft in Gang und ermöglichte der Exekutive ganz konkret ein Einschreiten bei häuslicher Gewalt. Österreich als eines der ersten Länder mit einem Betretungsverbot.
- Kein Ausspielen von den Opferschutzmaßnahmen für einerseits schutzbedürftige Frauen und andererseits Präventivmaßnahmen bei den Tätern. Wenn das Problem die Männer sind, müssen wir natürlich präventiv mit Männern arbeiten. Grundlage für den Opferschutz.
- Auseinandersetzung mit den Gefährdern wurde 2021 in der Verordnung von sechs Beratungsstunden (ursprünglich drei) nach Wegweisung festgeschrieben. Der Großteil der Gefährder lässt sich in den verordneten Stunden auf den Prozess ein. Dies setzt bei Vielen etwas in Gang. Weiterführende Beratung über die Männerberatung ist möglich.
- Gewaltprävention muss bereits in der pädagogischen Arbeit im Kindergarten beginnen und zwar mit den Buben und den Mädchen. Hier müssen wir als Gesellschaft ein Stückweit für den privaten Raum agieren. Dafür brauchen wir gut geführte Institutionen mit bestausgebildedsten Kräften mit einem ordentlichen Gehalt.
- In der pädagogischen Arbeit ist der erste Schritt als Lehrperson die eigene Faszination von Gewalt anzuerkennen (Stichwort: Krimis). Erst dann ist eine gute gemeinsame Auseinandersetzung mit den Kindern und Jugendlichen möglich.
- Gewaltvideos, die Jugendliche faszinieren, als Vehikel heranziehen, um das Thema Gewalt aufzuarbeiten.
- Creating Spaces, Projekt im IGGÖ, 2021. Aktionswoche „Entfaltungsräume für muslimische Mädchen und Frauen“. Das Beschäftigen mit Rollenbildern in der muslimischen Community hat nachhaltige Veränderungen zur Folge.
- Die Maßnahmen und eine sichtbare Veränderung in der Gesellschaft dauern sehr lange! Nicht resignieren, sondern weitergehen. Nicht nur nach Geld schreien, sondern schauen, wo sind die Möglichkeiten und an diesen Schrauben drehen.
Ev. Pressedienst berichtet über die Veranstaltung.
Nächste Veranstaltung in der Reihe Plattforum Strafrechtsethik:
16.01.2023 Screening Fuchs im Bau und Gespräch mit Ev. Gefängnisseelsorgerin Daniela Schwimbersky, Votivkino.